Bayerische Hausbau lässt Runden Tisch platzen.

Stellungnahme der Intitiative ESSO-Häuser

Hamburg, den 09.02.2012: Die Bayerische Hausbau lässt den Runden Tisch „ESSO-Häuser“ platzen und versucht mit Fehlinformationen der Initiative ESSO-Häuser öffentlich die Schuld für das Scheitern der Gespräche zuzuweisen. Richtig ist: die Initiative hat sich im Prozess des Runden Tisches keine Verzögerungstaktik vorzuwerfen, dass wird ihr auch von am Runden Tisch beteiligten Politikern bestätigt. Ebenso wird versucht zu lancieren, die Initiative vertrete Einzelinteressen. Dies kann entschieden zurückgewiesen werden. Der Initiative liegen bereits 57 Unterschriften von MieterInnen vor, die sich „gegen den Abriss“ aussprechen. Die Mitglieder der Initiative werden sich weiter dafür einsetzen wofür sie angetreten sind: Erhalt der Bausubstanz, Instandsetzung, unbefristete Mietverträge für alle MieterInnen und langfristige Mietverträge für die Gewerbetreibenden. An dem eigenen Konzept das u.a. eine Zusatzbebauung Richtung Kastanienalle vorsieht, wird weiter gearbeitet. Das Konzept wird im Frühjahr vorgestellt. Die Initiative wird sich darüber hinaus intensiv für eine Fortführung des Dialogs mit Politik und Stadtteilbevölkerung einsetzen.

Bayerische Hausbau lässt runden Tisch platzen...

Bei einer kurzfristig anberaumten Pressekonferenz am Dienstag den 09.02.2012 hat die Bayrische Hausbau ihren Austritt aus dem von der Initiative ESSO Häuser initiierten Prozess des Runden Tisches öffentlich erklärt, ohne die Initiative im Vorfeld zu informieren. Verknüpft wurde der Ausstieg aus den Gesprächen mit verschiedenen Anschuldigungen, die öffentlich gegenüber der Initiative geäußert wurden. Verzögerungstaktik, nicht einhalten von Absprachen, Festhalten an Maximalforderungen und die Vertretung von Einzelinteressen seien hier genannt.

Verzögerungstaktik?

Die Initiative hat ihre Anmerkungen und Änderungsvorschläge zu dem von Andy Grote formulierten Entwurf eines Gutachterauftrags fristgerecht noch vor Weihnachten abgegeben. Dabei wurde angemerkt, dass es sich - nach Aussage von hinzugezogenen Expert_innen - , als schwierig erweißt, aus den zur Verfügung gestellten Listen, ein einzelnes Gutachter-Büro zu finden, welches kompetent genug erscheint, ein solch „umfassendes multithematisches Gutachten“ zu erstellen. Ferner werde man sich in der zweiten Januar Woche mit Vorschlägen zum weiteren Umgang melden. Hintergrund war, dass der Gutachtertext Aufgabenstellungen enthielt, die weit über rein baulich technische Untersuchungen hinaus gingen. Es macht keinen Sinn einen Gutachter zu bestimmen, solange der Auftrag nicht klar definiert ist. Sowohl zu den Anmerkungen auf den Gutachtertext, als auch auf den Verfahrensvorschlag zur Gutachterauswahl gab es von der Bayerischen Hausbau bis Ende Januar keinerlei Reaktionen. Auf Nachfrage der Initiative verschickte Andy Grote dann am 31. 01.2012 eine überarbeitete Version des Auftragstextes. Während die Initiative diese Version gerade diskutierte, erreichte sie die Nachricht des einseitigen Abbruchs der Gespräche durch die Bayerische Hausbau.

Initiative vertritt Einzelinteressen?

In ihren Presseauftritten versucht die Bayerische Hausbau das intensive Engagement der Initiative darüber zu delegitimieren, dass sie öffentlich kundtut, die Initiative vertrete die Interessen einer Minderheit in den Häusern. Richtig ist, dass der Initiative Unterschriften von 57 BewohnerInnen der ESSO Häuser vorliegen, die sich „für den Erhalt und die sofortige Instandsetzung der Gebäude“, „gegen den Abriss der ESSO-Häuser“ und für die Arbeit der Initiative aussprechen. Wir sind zuversichtlich, dass wir in den nächsten Tagen durch das aktuelle Verhalten der Bayerischen Hausbau weitere aktive MitstreiterInnen in den Häusern gewinnen können. Das Abrissszenario, dass die Bayerische Hausbau in den Raum geworfen hat, hat die Verunsicherung in den Häusern geschürt.

Alleingang ohne Rückendeckung aus dem Stadtteil?

Aber nicht nur die MieterInnen der ESSO-Häuser beobachten sehr genau, wie es um die Zukunft der Häuser steht, auch NachbarInnen, Gewerbetreibende und BewohnerInnen ganz St. Paulis haben ihr Augenmerk auf die ESSO-Häuser gelegt. Dieser Konflikt betrifft nicht nur die Menschen in den Häusern. Selbst in der Presse wurden die ESSO Häuser bereits als „Schlüsselgrundstück“ bezeichnet. Symbolisch steht der Umgang mit den Häusern für die Zukunft der Ausrichtung der Stadtentwicklungspolitik im Stadtteil und darüber hinaus. In einem 12-Punkte-Plan der auf einer Stadtteilversammlung mit 300 BewohnerInnen verabschiedet wurde heißt es: es braucht „grundlegende Kehrtwende in der Stadtentwicklungspolitik und neue Partizipationsstrukturen, die eine wirkliche Teilhabe und Mitbestimmung der Stadtteilbevölkerung ermöglichen“. Die Menschen auf St. Pauli schließen sich vermehrt zusammen und wehren sich immer vehementer gegen die vorherrschende Investorenpolitik. Ein Abriss bedeutet nicht nur privaten Verlust sondern einen massiven Eingriff in die Sozial- und Gewerbestruktur. Die Soziale Erhaltungsverordnung für St. Pauli steht kurz vor der Verabschiedung durch die Bezirksversammlung. Die Verordnung ist dafür da die vorhandene Sozialstruktur zu schützen. Es ist mehr als bedenklich, wenn nach Erlass einer solchen Verordnung als erste Maßnahme im Stadtteil der Abriss von über 100 Wohneinheiten beschlossen wird.

„Maximalforderungen“?

Die Initiative fordert, das berechtigte Interesse der BewohnerInnen zu wahren und ernsthaft zu prüfen, wie der Erhalt der Häuser realisiert werden kann. Die Bayerische Hausbau ist immer wieder mit der Maximalforderungen Abriss und Neubau in die Verhandlungen gegangen und hat Sachzwänge konstruiert und öffentlich lanciert, die auf zweistündigen Expertisen beruhen, womit nicht von einer gewissenhaften Prüfung der Möglichkeiten gesprochen werden kann. Der Abbruch der Gespräche durch die Bayerische Hausbau erfolgte nun zu einem Zeitpunkt als sich abzeichnete, dass ein gemeinsames Gutachten genau solche Szenarien prüfen sollte. Nachvollziehbar wenn wirtschaftliche Interessen vor die Interessen der BewohnerInnen des Stadtteils gestellt werden. Die Interessen der MieterInnen haben nur insofern Relevanz für die Bayerische Hausbau, dass deren Einverständnis zum Auszug benötigt wird. Ein Großteil der BewohnerInnen hat unbefristete Mietverträge und macht damit einen Planungsprozess unkalkulierbar.

Rückkehrrecht für alle?

Die Initiative bleibt skeptisch gegenüber dem Versprechen der Investoren, dass alle MieterInnen zu gleichen Konditionen zurückkehren könnten. Einen Beweis dafür gibt es bislang nicht. Das einzige was jemals dazu öffentlich wurde, war ein von einer hochdotierten Anwaltskanzlei formulierter Entwurf für einen Mietaufhebungsvertrag. Dieser Entwurf wurde von Mietrechtsanwälten als klare Schlechterstellung der MieterInnen bewertet und war alles andere als ein juristisch wasserdichtes Rückkehrrecht für MieterInnen zu gleichen Konditionen. Darüber hinaus wurden bezüglich Umsatzwohnungen bei Abriss in der Vergangenheit bereits Zusagen gemacht, dass diese im Stadtteil gefunden werden. Davon ist inzwischen keine Rede mehr. Raus aus dem sozialen Umfeld, aus St. Pauli, bedeutet für viele MieterInnen Zerstörung der gewachsenen sozialen Netzwerke auf die sie angewiesen sind.

Abriss: gemeinsamer Beschluss von Bezirk, Politik und der Bayerischen Hausbau?

Die Initiative musste der Pressemitteilung vom 07.02.2012 entnehmen, dass „die Bayerische Hausbau „gemeinsam mit dem Bezirk Hamburg-Mitte [...]nun zügig in einen Architekturwettbewerb einsteigen [möchte], der nach Abbruch der maroden Bausubstanz eine Neubebauung des Areals zum Ziel hat“. Der städtebauliche Wettbewerb und ein Bebauungsplanverfahren sind und bleiben ein politische Entscheidungsprozesse, die von den Gremien der Bezirkspolitik beschlossen werden müssen. VertreterInnen der Politik haben der Initiative bestätigt, dass es keine Absprache zum Abbruch der Gespräche gab, ebenso wenig den Beschluss zu der Ausschreibung eines gemeinsamen Wettbewerbs. Hier wurden öffentlich falsche Tatsachen stadtweit verbreitet und noch immer konnte die Initiative nicht alle BewohnerInnen erreichen um sie zu beruhigen. Geschweige denn das öffentliche Bewusstsein erreichen, dass hier falsche Tatsachen verankert wurden.

Wir planen weiter

Die Initiative hält daran fest: keine Entscheidungen ohne eine wahrhaftige Einbeziehung der MieterInnen und des Stadtteils. Sie wird die Gespräche mit Politik und der Stadtteilbevölkerung suchen und organisieren, um Wege zu finden, die Einvernehmlich für alle Beteiligten sind. Dass die Bayerische Hausbau als momentaner Eigentümer aus diesem Verhandlungsprozess ausgestiegen ist, ist bedauerlich, aber ihre eigene Entscheidung. In den kommenden Wochen und Monaten wird weiter geplant, informiert, das Gespräch gesucht, vernetzt und öffentlich gemacht. Die gemeinsame Wunschproduktion wird weiter bearbeitet, eine Veranstaltung zur Vorstellung des eigenen Konzeptes ist in Planung. Unterstützung durch ExpertInnen aus den Bereichen Architektur, Stadtplanung und Partizipation ist gesichert. Dieser Veranstaltung werden weitere Folgen so z.B. eine öffentliche Veranstaltung mit geladenen ExpertInnen. Engagement zur Fortsetzung des „Runden Tisch Prozesses“ mit Politik und Verwaltung gibt es schon jetzt. Thema werden die ESSO Häuser und ihre Zukunft wohl auch auf der nächsten bereits in Planung befindlichen und von AnwohnerInnen geplanten Stadtteilversammlung. Aktionstage, Präsenz im Architektursommer…die Initiative macht weiter!

 

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