Mit kritischem Blick auf in die zweite Planungsrunde!
Erklärung der Initiative ESSO-Häuser zur Auslobung für den hochbaulichen Wettbewerb
08.06.2016
Die Planung des ESSO-Häuser-Geländes geht in die zweite Phase. Heute findet die Auftaktveranstaltung für den hochbaulichen Wettbewerb statt. Dabei sind die geladenen Architekturbüros gefordert, konkrete und detailliertere Ideen zu entwickeln, wie denn Häuser und Freiräume aussehen sollen. Grundlage der Auslobung ist der überarbeitete Siegerentwurf des städtebaulichen Wettbewerbs von NL Architects und BeL, den die PlanBude am letzten Sonntag auf einer Stadtteilkonferenz vorstellte und diskutieren ließ.
Wie schon bei der Auslobung zum städtebaulichen Wettbewerb hat sich auch hier gezeigt, dass es gut und förderlich war, dass die PlanBude als Sachwalterin des Beteiligungsprozesses bei den Verhandlungen im Vorfeld dabei war.
Wir freuen uns, dass auch in der Überarbeitung des Siegerentwurfs von NL Architects und BeL der St. Pauli Code weiterhin eine zentrale Rolle spielt: Viel geförderter Sozialwohnungsbau, ein Innovations- und Subkulturcluster mit nachbarschaftlichen Nutzungen, begehbare und teils öffentliche Dächer für Spiel und Sport oder einfach nur für Chillen und freien Ausguck über die Reeperbahn, eine Quartiersgasse, die zum Verweilen, zur Begegnung und zum Austausch einlädt.
Folgende Punkte sehen wir jedoch kritisch:
Die Verdichtung steigt nochmals: Beim städtebaulichen Wettbewerb sollte ermittelt werden, ob die angepeilte Bruttogeschossfläche von insgesamt 28.000 m² für das Areal städtebaulich verträglich ist. Der Siegerentwurf von NL Architects und BeL beantwortete diese Frage mit einer Bruttogeschossfläche von 26.935 m² und lag damit gut 1.000 m² unter der Zielvorgabe. Nun werden bei der Überarbeitung mit bis zu 28.500 m² sogar noch mal 500 m² auf die alte Vorgabe daraufgelegt. Damit wird die ursprünglich bebaute Fläche knapp 3 ½ mal vergrößert. Mit der erneuten Verdichtung einher geht die Erhöhung einzelner Gebäude, die Verschattung nimmt entsprechend zu. Hier sehen wir die Architekturbüros gefordert, intelligente Lösungen zu finden, die trotz der hohen Dichte eine hohe Wohn- und Aufenthaltsqualität sichern, bzw. festzustellen, dass diese Qualitäten mit einer so hohen Dichte nicht mehr erreicht werden können und die Baumasse entsprechend zu reduzieren ist.
Das Hotel wird noch größer: Auch hier fanden NL Architects und BeL es städtebaulich offenbar sinnvoller, kleiner zu planen als die angepeilten 6.300 m². Nun sollen es sogar 6.600 m² werden. Die angestrebte Kleinteiligkeit des St. Pauli Codes können wir an dieser Stelle immer weniger wiederfinden. Fraglich ist auch noch, wie die geforderte weitgehende Öffnung des Hotels zum Stadtteil realisiert werden soll.
Das Innovations- und Subkulturcluster mit den nachbarschaftlichen Nutzungen scheint dagegen zu schrumpfen: Wir finden es sehr bedenklich, dass die – nicht erhöhten - Flächen des Innovations- und Subkulturclusters von 2.530 m² nur durch eine Zwischengalerielösung ausgewiesen sind. Das Cluster hat durch die geplante Einfahrt zur Tiefgarage im Bereich der Baugemeinschaftsbebauung an Fläche verloren. Hier erwarten wir von den Architekturbüros kreative Lösungen. Wir werden es nicht hinnehmen, wenn die nachbarschaftlichen Nutzungen nicht den Wünschen aus dem Stadtteil entsprechend realisiert werden. Es müssen für den Stadtteil qualitativ nutzbare Räume an der Quartiersgasse entstehen. Die zunehmende Nachverdichtung darf nicht zur Reduzierung des Clusters insgesamt führen. Es könnten stattdessen, wenn nötig, einzelne Clusternutzungen in anderen Baufeldern realisiert werden.
Der St. Pauli Code stellt öffentliche Orte in den Vordergrund, die frei verfügbare, konsumfreie Nutzungen ermöglichen. Dies gilt auch für den Stadtbalkon zum Spielbudenplatz. Wir fordern, eine gewerbliche Nutzung an dieser Stelle auf ein Mindestmaß zu reduzieren.
Die Planung einer Tiefgarage, die gleichzeitig der Anlieferung der Gewerbebetriebe dienen soll, benachteiligt Baugemeinschaft und Nutzer*innen des Innovations- und Subkulturclusters: Durch LKWs bis zu 23 Tonnen ist eine erhebliche Lärm- und Abgasbelästigung und eine verschlechterte Lichtsituation durch die höhere Zufahrt zu befürchten. Hier sind die Architekturbüros gefragt, Lösungen zu finden, die diese Nachteile ausgleichen.
Wir sind gespannt auf die Ideen der Architekturbüros, die wie in Phase 1 der Öffentlichkeit in einer Planungswerkstatt am 19. Juli ihre Entwürfe vorstellen werden. Wir weisen schon jetzt auf diesen wichtigen Termin hin und rufen dazu auf, diese Chance zu nutzen und auf die Gestaltung von Häusern und Freiräumen Einfluss zu nehmen.
Über die architektonischen Fragen hinaus gibt es noch weitere wichtige Themen, an denen wir dran sind:
Wir fordern eine zeitlich unbefristete Bindungsdauer für die öffentlich geförderten Wohnungen. Ein Vorbild könnte Wien sein: Das Prinzip „Einmal gefördert, immer gefördert“ sichert dort günstigen Wohnraum für Menschen mit wenig Geld dauerhaft.
Wir fordern für den Verkauf des Baufeldes für Sozialwohnungen und des Baufeldes für die Baugemeinschaft einen auch für kleinere Genossenschaften realisierbaren und dementsprechend niedrigen Preis. Die Vergabe soll für beide Baufelder mittels Konzeptverfahren erfolgen. Die Käuferin des Baufeldes soll erfahren sein bei der Berücksichtigung von Mieter*innen-, Nachbarschafts- und Stadteilinteressen.
In den Verhandlungen im letzten Jahr zwischen Bayerischer Hausbau, Bezirk und PlanBude wurde vereinbart, dass das stadtteilbezogene Innovations- und Subkulturcluster über das restliche Gewerbe querfinanziert wird. Auch dies muss sich im Kaufpreis niederschlagen.
Aus dem Stadtteil heraus sollen Konzepte entwickelt werden, wie das Innovations- und Subkulturcluster langfristig zu günstigen Mieten für gemeinschaftliche Nutzungen gesichert werden kann.
Im Hinblick auf die Öffnung des Hotels zum Stadtteil und die Nutzungen der halböffentlichen Räume fordern wir, dass hier keine Menschen durch Hochpreispolitik oder Style Codes ausgegrenzt werden.
Die Sicherung des Zugangs der Öffentlichkeit zum Stadtbalkon mit Einladung zum konsumfreien Verweilen muss auch langfristig gewährleistet sein.
Download der Pressemitteilung als pdf hier