Zustand der ESSO-Häuser wird aufgrund nicht erfolgter Instandhaltung als kritisch bewertet.
Die Initiative Esso-Häuser warnt vor voreiligen Schlussfolgerungen
Hamburg, den 15.06.2013
Das gestern den Mieter_innen vorgestellte Gutachten macht deutlich,
dass sich die ESSO-Häuser in einem kritischen Zustand befinden. Es benennt
dabei auch die Verantwortlichen. Sowohl die Vorbesitzer Familie Schütze,
als auch die Bayerische Hausbau – Eigentümerin seit 2009, sind zu keinem
Zeitpunkt ihrer gesetzlich vorgeschriebenen Instandhaltungspflicht nachgekommen.
Wenn nun vorschnell dem Abriss das Wort geredet wird, würden die Eigentümer,
die offensichtlich völlig unbehelligt von der Bauaufsicht ihre Gebäude
verwahrlosen lassen konnten – unter Inkaufnahme einer Gefährdung der
Mieter –mit einer Abrissgenehmigung für ein solches Verhalten belohnt.
Die Initiative hat schon seit Jahren auf die dringende Notwendigkeit
von Instandhaltungsmaßnahmen hingewiesen.
Vorbemerkung: deutliche Benachteiligung durch ungleiche Informationspolitik
gegenüber den Beteiligten
Als skandalös ist es zu bewerten, dass die Mieter_innen und damit die
Hauptbetroffenen erst 2 Tage nach dem Bezirk, den Fraktionen und dem
Eigentümer und damit als letztes informiert werden und die Ergebnisse
des Gutachtens aus den Medien erfahren mussten. Während alle anderen
Beteiligten 2 Tage und mehr Zeit hatten, sich mit dem Gutachten vertraut
zu machen und ihre Öffentlichkeitsarbeit abzustimmen, blieb der Initiative
weniger als 1 Stunde (!) bis zur vom Bezirk angesetzten Pressekonferenz!
Diese Terminierung, die schon Wochen zuvor von der Initiative heftig
kritisiert wurde, stellt für eine ehrenamtlich arbeitende Initiative
eine nicht zu akzeptierende Benachteiligung dar. Der Bezirk muss sich
hier fragen lassen, ob eine Beteiligung der Initiative an der Diskussion
auf gleicher Augenhöhe wirklich gewollt wird.
Wird bewusstes Verwahrlosen-Lassen nun mit Abrissgenehmigung
belohnt?
Das am 13.6.2013 vorgestellte und von der Initiative über zwei Jahre
erkämpfte Gutachten belegt, dass es schwerwiegende Mängel an den Häusern
gibt. Grundeigentümer sind dazu verpflichtet, einen Teil der Miete in
die Instandhaltung der Häuser zu investieren. Der Instandsetzungspflicht
wurde sich offenbar über Jahrzehnte hinweg verweigert, ohne dass die
Bauaufsicht des Bezirks Hamburg Mitte ihrer Verantwortung gemäß interveniert
hat.
Die Vorgänge um die ESSO-Häuser stehen hier exemplarisch für einen Prozess,
der sich auch an vielen anderen Orten dieser Stadt vollzieht. Eigentümer
lassen nicht lukrative Immobilien verkommen, um dann unter dem Verweis
eine Sanierung „wäre für ein privatwirtschaftliches Unternehmen wirtschaftlich
keinesfalls darstellbar“ (Zitat Presseerklärung der Bayerischen Hausbau),
den Abriss als Sachzwang darzustellen.
Wir fragen: wie kann es eigentlich sein, dass die Vermieter über Jahre
Mieten kassieren, nie etwas in den Bestand investieren und nun die Mieter_innen
die Leidtragenden sein sollen? Wie kann es eigentlich sei, dass die
Bayerische Hausbau die Häuser - um den schlechten Zustand wissend -zu
einem überhöhten Preis (Gerüchte sprechen von ca. 19 Mio. Euro) kauft
und von vornherein nichts anderes plant als einen Abriss? Wie kann es
eigentlich sein, dass für all dies niemand zur Verantwortung zu ziehen
ist und nun diejenigen das Nachsehen haben sollen, die brav über Jahrzehnte
ihre Miete gezahlt und ihre Wohnungen und Gewerberäumen unter hohem
Einsatz von Eigenengagement und Eigeninvestitionen in Schuss gehalten
haben?
Will die Bezirkspolitik hier wirklich stumpf der Profitlogik eines Immobilienmarktes
folgen und das widerrechtliche Verhalten der Grundstückseigentümer mit
der lange gewünschten Abrissgenehmigung belohnen?
Wir meinen es braucht eine andere Haltung, als sich einfach auf ein
„Sanierung zu teuer. Neubau ist besser“ zurückzuziehen!
Schutz und Unterstützung der Mieter_innen muss Vorrang haben!
Die Ansage, es bliebe nur Abriss, hat schon jetzt potentiell existenzvernichtende
Konsequenzen für Gewerbemieter. Ohne Perspektiven werden ihre Kunden
sich zurückziehen, Geschäftskredite können nicht bedient werden. Was
wird dagegen unternommen, dass ein milliardenschweres Unternehmen die
ansässigen kleinen (Familien)Betriebe dem Ruin preis zu geben droht?
In den Häusern wohnen u.a. auch alte, teilweise kranke Menschen. Was
genau hat der Investor Ihnen anzubieten, außer der Ansage, dass sie
in Jahresfrist ihr zu Hause verlieren?
Initiative wird das Gutachten und alternative Sanierungsmöglichkeiten
genauestens prüfen
Das Gutachten umfasst insgesamt 168 Seiten plus 2 Ordner voller Anlagen
mit Plänen, Messblättern und Zeichnungen. Die Initiative wird das Gutachten
mit den ihnen zur Verfügung stehenden Expert_innen genau prüfen, bewerten
und dann dazu Stellung nehmen. Die kompromisslose Haltung „eine Sanierung
ist nicht realistisch“ finden wir zum jetzigen Zeitpunkt unzureichend.
Es entsteht der Eindruck, dass die Optionen, die das Gutachten durchaus
aufzeigt, gar nicht erst geprüft werden sollen. Die Sanierung der Tiefgarage
wird nur unter dem Blickwinkel der Beibehaltung und Ertüchtigung der
momentanen Stützkonstruktion betrachtet. Ob alternative Stützkonstruktionen
stattdessen denkbar wären, wird nicht bedacht.
Als Initiative setzen wir uns weiterhin dafür ein, nach klugen und konstruktiven Alternativen zum Abriss zu suchen. Uns ist bewusst, dass die Kosten- bzw. Wirtschaftlichkeitsfrage auch eine Rolle spielt. Zum Mantra für stadtpolitische Grundsatzentscheidungen darf sie allerdings nicht werden, schließlich gilt für St. Pauli eine soziale Erhaltungsverordnung, die die soziale Zusammensetzung des Stadtteils schützen soll.
Ein am Montag veröffentlichtes Manifest wurde inzwischen von nahezu
1500 Menschen unterzeichnet. Dies macht deutlich welch hohe öffentliche
Aufmerksamkeit der Konflikt um die ESSO-Häuser gerade erfährt. Auch
nach der Gutachtenpräsentation behält die Ausrichtung des Manifestes
ihre Gültigkeit. Es gilt weiterhin sich stark zu machen für die, „die
sich die Stadt, die Viertel, die Orte nicht bloß gekauft haben, sondern
ihnen ihre Vielfalt und Unverwechselbarkeit geben.“ [hier
geht es zur Manifest-Homepage]
Download der Pressemitteilung als pdf
hier